Leitlinien

Die Aufgaben der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind die Erkennung und Behandlung, Prävention und Rehabilitation von psychischen, psychosomatischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen oder Störungen sowie von psychischen und sozialen Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter, denen eine psychische Erkrankung oder eine Fehlentwicklung der Person zugrunde liegt. Dabei ist die stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie Teil eines Versorgungssystems, das ambulante, teilstationäre und stationäre Dienste zur psychosozialen Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen umfasst.

Der Gesetzgeber definiert die kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und Abteilungen (§2 Ziff. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz, §107 Abs. 1 SSBV) als Einrichtungen, in denen durch ärztliche, pflegerische und sonstige Hilfeleistung psychische, psychosomatische und neuropsychiatrische Krankheiten und Behinderungen im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert, geheilt oder gemindert und in denen deren Verschlimmerung verhütet wird.

In der Bundesrepublik Deutschland wird die stationäre und teilstationäre Kinder- und Jugendpsychiatrische Behandlung in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und Abteilungen realisiert. Entsprechend ihrer Größe, Ausstattung und Struktur übernehmen sie die regionalen und gegebenenfalls auch überregionalen Versorgungsaufgaben mit bedarfsorientierten Therapieangeboten.

Sie sollen an der Pflichtversorgung teilnehmen, wobei das Versorgungsgebiet so bemessen sein soll, dass es überschaubar bleibt und eine fortlaufende Einbeziehung des familiären- und sonstigen Umfeldes der Patienten in die Therapie ermöglicht. Die Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken und Abteilungen sind Bestandteil des allgemeinen Gesundheits- und Krankenhauswesens und in die allgemeine Krankenhausbedarfsplanung einbezogen. Basis der stationären Kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung ist die heilpädagogisch-pflegerische Behandlungsgruppe.

Eine Station besteht in der Regel aus zwei Behandlungsgruppen und sollte eine Zahl von zwölf Patienten nicht übersteigen. Kinder und Jugendliche befinden sich in einem lebhaften Entwicklungsprozess und bedürfen ins besondere, wenn sie psychisch erkranken, einer intensiven personellen Betreuung und eines reflektiert gestalteten therapeutisch-pädagogischen Milieus. Miteinander von Therapie und Erziehung ist Grundprinzip einer zeitgemäßen stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung und ist in seiner Bedeutung dadurch bestätigt, dass sich darauf die Personalbemessung im Pflege- und Erziehungsdienst begründet. Dieser Teil des Behandlungsgeschehens wird von Mitarbeitenden des Pflege- und Erziehungsdienstes sichergestellt. Sie gestalten die Rahmenbedingungen, die für die Therapie von Kindern und Jugendlichen in einer Fachklinik erforderlich sind. Ihr Aufgabenspektrum umfasst die Schaffung einer emotional tragenden Atmosphäre mit persönlichen Bedingungen (Bezugspersonensystem, Beziehungspflege), die Gestaltung familienähnlicher Bedingungen und die Beziehungsaufnahme über Spiele, Gespräche sowie Aktivitäten, Sicherstellung der Aufsichtspflicht innerhalb und außerhalb des Krankenhauses.

  • Die stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung wird interdisziplinär im Rahmen eines ärztlich verantworteten Behandlungsplans durchgeführt und hat die Angehörigen und das Umfeld der Kinder und Jugendlichen mit einzubeziehen. Alle Patienten benötigen eine mehrdimensionale Diagnostik und Therapie. Der Behandlungsprozess erfolgt durch das fachgerechte Zusammenwirken innerhalb eines multiprofessionellen Rahmens, wobei die beteiligten Berufsgruppen die fachliche Seite ihres Beitrags eigenständig verantworten. Die milieutherapeutische und heilpädagogische Tagesgestaltung wird in erster Linie von den Mitarbeitenden des Pflege- und Erziehungsdienstes getragen. Diese grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Fachdisziplin definieren den Aufgabenbereich der leitenden Mitarbeitenden des Pflege- und Erziehungsdienstes und begründen somit auch das Selbstverständnis und die Leitideen der Bundesarbeitsgemeinschaft.
  • Die BAG tritt für die fachliche, organisatorische und betriebswirtschaftliche Verselbständigung der Kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und Abteilungen sowie ihrer wesentlichen Berufsgruppen ein. Die Kliniken und Abteilungen des Fachgebietes müssen eigenständige organisatorische Einheiten mit eigenem Budget und einem eigenen Stellenplan sein. Die betriebliche Leitung erfolgt in kollegialer Zusammenarbeit von ärztlicher Leitung, der Leitung des Pflege- und Erziehungsdienstes und der Verwaltungsleitung.
  • Die Leitung des Pflege- und Erziehungsdienstes sorgt in ihrem Verantwortungsbereich für Organisations- und Arbeitsstrukturen sowie Arbeitsbedingungen, die ein komplexes Leistungsangebot und eine hochwertige Behandlungsqualität entsprechend dem Stand des medizinischen Fortschritts sicherstellt.
  • Die Evaluation und Absicherung des Leistungsstandards wird über Qualitätssicherungsverfahren überprüfbar gemacht. Die BAG vertritt die Position, dass qualitativ hochwertige Therapieangebote jeweils in Kongruenz mit den betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten der Einrichtung zu erfolgen haben. Dabei ist die vollständige Ausschöpfung der durch die Psych-PV gegebenen Voraussetzungen unbedingt erforderlich.
  • Neben der Einrichtung bedarfsgerechter Strukturen und der angemessenen Personalausstattung (Psych-PV) der Fachkliniken ist die Behandlungsqualität auch von der Qualität der eingesetzten Mitarbeitenden und damit auch von deren Qualifikation abhängig. Die BAG hat bereits bei ihrer Gründung auf die Notwendigkeit neuer fachbezogener Aus-, Fort-, und Weiterbildungskonzepte für die Mitarbeitenden des Pflege- und Erziehungsdienstes hingewiesen. Es besteht hier nach wie vor ein erheblicher Handlungsbedarf und die BAG wird in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet einen ihrer Arbeitsschwerpunkte setzen.
  • Die Entwicklung des Arbeitsfeldes selbst sowie die veränderten Anforderungen an das Tätigkeitsprofil verlangen Fähigkeiten und Wissen, die weder die grundständige Krankenpflege noch die pädagogische Ausbildung vermitteln. Die Anforderungen an ein aus Pflege und Pädagogik herausentwickeltem Qualifikationsmuster und die engen Grenzen der Fachweiterbildung Psychiatrie machen eine eigenständige Fachweiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie notwendig. Diese hat der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Multiprofessionalität selbst Grundlage des Behandlungsgeschehens ist, d.h. unterschiedliche Berufsgrundausbildungen zu einer gemeinsamen Behandlung zusammenzuführen sind. Die geringe Größe der Fachdisziplin und ihrer Einrichtungen machen kostengünstige und flexible Verbundsysteme mit kompatiblen Modulausbildungsteilen notwendig. Um dabei überhaupt eine Option auf die Möglichkeit einer staatlichen Anerkennung, einer sinnvollen Zertifikatserteilung oder einer Bewertung als Tarifmerkmal erhalten zu können, ist ein zumindest in den Grundelementen bundesweit vereinheitlichtes Bildungskonzept anzustreben.
  • Auf behördlich-administerellen Ebene ist die Erarbeitung von Ausbildungsverordnungen voranzutreiben.
  • Diesen Aufgaben wird sich die BAG, ihr Vorstand und ihre Mitglieder zu zentralen, regionalen und lokalen koordinierten Schritten konzentriert widmen und hierbei auch auf die Unterstützung der BAG der Ltd. Ärztinnen und Ärzte, KJPs und weiterer fachlich nahestehender Interessensverbände zurückgreifen.
  • So wie innerhalb des Fachgebiets eine effektive fachgerechte Versorgung des Klientels einer Region nur durch Kooperation mit komplementären Diensten, unterschiedlichen Behörden und Trägerinnen und Trägern anderer Versorgungseinrichtungen möglich ist, ist die BAG bereit zur Auseinandersetzung über alle Fachfragen und zur Zusammenarbeit mit allen an der Fachdisziplin im weiteren Sinne beteiligten Behörden, staatlichen Organisationen und Verbänden.
  • Sie erwartet als fachkompetente Vereinigung der leitenden Mitarbeiter der Einrichtungen des Fachgebietes bei der Erarbeitung neuer oder in der Veränderung befindlicher Vertragsstrukturen beteiligt zu werden.
  • Die BAG wird durch regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit sowie durch eigene Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zur besseren Information über die Arbeitsweise und die Aufgaben der Kinder- und Jugendpsychiatrie beitragen.
  • Ihre Mitglieder wird sie durch Serviceleistungen und gezielte Weitergabe neuer Erkenntnisse und Arbeitsmethoden möglichst umfassend über den Entwicklungsstand des Fachgebiets informieren und so schnellere Anpassungen an Veränderungsprozesse möglich machen.